Diese Aussage, die eine der Hauptmotivationen für die Erstellung dieses Buches zusammenfasst, stammt von Leopoldo Barbieri, der im Namen der Nachbarschaftsversammlung "Nein zur Übergabe der Küste" (Asamblea No a la Entrega de la Costa) bei der Vorstellung des Buches "Bosque Nativo", die am 31. Januar im Global South Studies Center stattfand, eine überzeugende Erklärung abgab. Das Buch war im Dezember 2022 zunächst in einer öffentlichen Bibliothek in Bernal, einem Stadtteil von Quilmes im Großraum Buenos Aires, vorgestellt worden und wurde nun einem deutschen Publikum präsentiert.
Der vollständige Titel des Buches lautet übersetzt "Heimischer Wald: Flussnahe Ökosysteme des La Plata-Flusses. Avellaneda und Quilmes, Argentinien". Es dokumentiert wissenschaftliche, kulturelle, künstlerische und politische Aspekte des Südufers des La Plata im Großraum Buenos Aires. Das Gebiet hat eine jüngere Geschichte mit eingeschränktem Zugang, industrieller Verschmutzung und staatlicher Vernachlässigung, aber auch eine tiefere und vielfältigere Vergangenheit mit menschlicher Besiedlung, Landnutzung und Produktivität. Vor allem das Flussufer in den Gemeinden Avellaneda und Quilmes beherbergt eine bisher verkannte biologische Vielfalt und Wildnis, die derzeit durch ein groß angelegtes, privates Stadtentwicklungsprojekt bedroht ist. Ziel des Buches ist es, den Ort und seine einzigartige Ökologie und Geschichte sichtbar zu machen - damit er geschützt werden kann, wie Leonardo Barbieri erklärte.
Herausgegeben wurde das Buch von Vanina Santy, Doktorandin der Ethnologie an der Universität zu Köln und assoziiert mit dem DELTA-Projekt. Ihr Promotionsprojekt untersucht den Konflikt um dieses vernachlässigte Gebiet am La Plata-Fluss und konzentriert sich auf die intimen Beziehungen, die AktivistInnen zu diesem einzigartigen Ort aufbauen. Bei der Buchvorstellung stellte Vanina das Buch und die Zusammenarbeit mit der Nachbarschaftsversammlung vor, die zu diesem Buch geführt hat, einschließlich der Zusammenkunft von ExpertInnen zu verschiedenen Aspekten, der gemeinsamen Erarbeitung von Texten und der Verhandlung von Zielen. Der Fotograf Hernán Vitenberg, der die Originalbilder zu dem Band beigesteuert hatte, nahm per Videokonferenz an der Buchvorstellung teil und erläuterte seine Beziehung zum La Plata-Fluss sowie die spezielle Technik der Blitzlichtfotografie, mit der besondere Aspekte der Landschaft hervorgehoben werden.
Auch Melina Agostini, die als Redakteurin bei dem in Buenos Aires ansässigen Verlag Hora Mágica arbeitet und eine Schlüsselrolle bei der Realisierung des Buches gespielt hat, nahm per Videokonferenz teil. Sie berichtete, dass sie erstaunt war, wie schnell das Buch zustande kam, was nicht nur auf das Engagement der Mitwirkenden zurückzuführen war, sondern auch auf das Gefühl, dass das Buch in den Köpfen aller Beteiligten bereits geschrieben war: Die fünfzehn Jahre Aktivismus, Forschung und Rechtsstreitigkeiten hatten die Nachbarschaftsversammlung und ihre Netzwerke gut darauf vorbereitet, das, woran sie seit langem gearbeitet hatten, schriftlich niederzulegen.
Dann sprach Leopoldo Barbieri, ebenfalls per Videokonferenz, für die Nachbarschaftsversammlung. Er stellte den weiteren Kontext des Buches dar, nämlich den Kampf um die Erhaltung von Gemeingütern vor den unaufhörlichen Angriffen eines ideologischen und wirtschaftlichen Systems, das bereits anachronistisch ist und dem nicht erlaubt werden darf, die letzten Reste dessen zu zerstören, was es nicht bereits zerstört hat. Schließlich berichtete der Biologe Elián Guerrero, Mitverfasser eines Kapitels über die biologische Vielfalt in dem Buch, über seine Forschungen in dem Gebiet seit 2010 und wies auf die einzigartige Kombination zweier Biotope am La Plata-Fluss hin: In den höher gelegenen Zonen finden sich ältere Arten, die es in der Umgebung nicht mehr gibt, während die tiefer gelegenen, feuchten Zonen einen raschen Wandel der Pflanzen- und Tierarten aufweisen. Diese Kombination macht die Auenökologie so besonders.
Eine besondere Landschaft macht auch ein besonderes Buch aus: Es verbindet nicht nur künstlerische Fotografie mit wissenschaftlicher Arbeit und ansprechender Gestaltung. Es erweckt auch einen wunderbaren Ort für Menschen zum Leben, die ihn nicht kennen, noch nie dort waren oder ihn nur als "Nicht-Ort" kennen: ein leerer, vergessener Raum, der völlig neu erfunden werden muss, um an Wert zu gewinnen, wie es das private Stadtentwicklungsprojekt und seine Verfechter vorschlagen. Die Beiträge in diesem Buch zeigen jedoch, dass dieser Ort nicht neu erfunden werden muss, da er bereits seine eigene Geschichte, eine Identität, eine vitale Ökologie und eine große Gruppe von UnterstützerInnen hat. Besonders deutlich wird, dass dieser Ort nicht von einem gewinnorientierten Unternehmen in eine Utopie neoliberaler Stadtplanung verwandelt werden muss. Die Argumente dieses Buches zeigen mehr als genug Traditionen, Initiativen und rechtliche Rahmenbedingungen auf, die als Grundlage für eine vielversprechende Zukunft dieses Ortes weiterentwickelt werden können - und sollten!
Das Buch gibt nicht vor, dass dieser Ort ein Paradies ist, sondern dokumentiert auch seine schwierige Geschichte von Verschmutzung, Vernachlässigung, Zerstörung und Verfall. Aber es zeigt, dass diese tragischen Ereignisse nicht die Zukunft dieses Ortes bestimmen müssen, sondern Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen motivieren, den Ort zu schützen und seine Stärken zu entwickeln. Das Engagement einer Gruppe von motivierten AktivistInnen steckt auch hinter diesem Buch, das in Gemeinschaftsarbeit entstanden ist und damit die Zusammenarbeit der Nachbarschaftsversammlung widerspiegelt, die sich seit Jahren für den Erhalt und die Wiederbelebung der Küste in Avellaneda und Quilmes einsetzt. Diese Gruppe ermöglicht es Menschen aus einem weiten Umkreis, Beziehungen zu diesem Ort aufzubauen.
Bosque Nativo zeigt beispielhaft die Unzerstörbarkeit des Lokalen, Konkreten und Gewachsenen, das den immer stärker werdenden Kräften der globalen Finanzströme, der multinationalen Konzerne und der korrupten Regierungen unaufhörlich trotzt. Wir wünschen diesem Buch eine breite, interessierte Leserschaft, die es für lebenswerte Alternativen zur Übergabe der Küste inspirieren wird.